Beim Schnatgang von Osnabrück handelt es sich um einen Grenzgang, der erstmals 1587 durchgeführt wurde. Er fand zuerst in der Hase-Laischaft statt und wurde dann auch in anderen Laischaften vorgenommen, um Streitigkeiten wegen Grenzverschiebungen auszuschließen.
Das Wort „Schnat“ ist plattdeutsch und bedeutet Grenze. Der Schnatgang wurde im 19. Jahrhundert zu einem Traditionsfest. Er findet auch heute noch in Osnabrück statt. In der Umgebung von Osnabrück geriet er in der letzten Zeit etwas in Vergessenheit, doch in Bad Iburg wurde er 2002 wiederbelebt.
Grenzmarkierungen
Als Grenzmarkierungen wurden früher Bäche, Gräben, Hecken oder Waldschneisen genutzt. Bis zum 17. Jahrhundert wurden eigens zur Grenzmarkierung Bäume gepflanzt, in die mit einer Axt ein Kreuz geschlagen wurde.
Später wurden die Grenzen mit Grenzsteinen oder Hutesteinen markiert. Hutesteine dienen als Grenzmarkierung in einem Hutewald, der als Waldweide genutzt wird. Um die Grenzsteine besser von den natürlichen Steinen zu unterscheiden, wurden häufig Steine genutzt, die aus anderen Materialien als die Steine in der Umgebung bestanden.
Damals gab es noch keine Grundbücher oder Katasterkarten. Die Menschen mussten sich daher auf ihr Gedächtnis verlassen, wenn sie etwas über den Grenzverlauf wissen wollten. Die Menschen versetzten die Grenzsteine mitunter auch dann, wenn drastische Strafen drohten.
Der Rat der Stadt war irgendwann mit der Überprüfung und Verwaltung der Feldmark überfordert. Er übertrug daher die Kontrolle der Grenzsteine nach und nach an die Osnabrücker Laischaften. Bei einer Laischaft handelt es sich um eine spätmittelalterliche Verwaltungsorganisation in der Stadt Osnabrück.
Um die neuen Bürger über die Grenzverläufe zu informieren und die Korrektheit der Grenzverläufe zu kontrollieren, mussten die Grenzmarkierungen freigeschnitten werden.
Schnatgänge
Schnatgänge fanden zuerst als amtliche Grenzgänge statt, bevor sie ab 1587 von der Osnabrücker Laischaft durchgeführt wurden. Sie wurden alle ein bis zwei Jahre wiederholt.
Die Bürger der Laischaft bewirtschafteten am Rande der Stadt, aber auch in den Wäldern außerhalb der Stadt gemeinsame Ländereien. Auch vor dem Heger Tor im Heger Holz befand sich Land, das gemeinsam bewirtschaftet wurde.
Es war damals wichtig, die Abgrenzungen und Berechtigungen möglichst genau zu kennen. Mit den Schnatgängen, die ab 1587 regelmäßig im Osnabrücker Land unter allgemeiner Aufmerksamkeit stattfanden, sollten Streitigkeiten vermieden werden.
In der Heger Laischaft fand noch während des Dreißigjährigen Krieges, 1636, der erste Schnatgang statt, an dem 22 Bürger mit ihrer Wehr teilnahmen. Die Teilnehmer besichtigten Wege, Landwehren und Dämme.
Die Laischaften bekamen nach dem Dreißigjährigen Krieg mehr Rechte, was auch mit der Übernahme größerer Pflichten verbunden war.
Poaläsen
Der Schnatgang war in verschiedenen Orten Anlass zum Poaläsen. Dabei wurden die Neubürger mit dem Grenzverlauf bekannt gemacht. Sie nahmen am Schnatgang teil. Einige Schnatgänger, auch als Schnatloiper bezeichnet, hoben einen Neubürger an und hielten ihn über einen Grenzstein.
Der Neubürger wurde als der zu Poaläsende bezeichnet. Das Wort Poaläse setzt sich aus Poal für Stein und Ääs für Hinterteil (Arsch) zusammen. Der Neubürger wurde mehrmals mit seinem Hinterteil auf einen Stein aufgesetzt.
Dem Neubürger sollte mit der Poaläse der Verlauf der Grenze nachhaltig bewusst gemacht werden. Nachdem er als Laischaftsmitglied die Poaläse hinter sich hatte, galt er als Poalbürger, also als Alteingesessener.
Für die Aufnahme in die Laischaft revanchierten sich die Poalbürger mit einer Spende. Am nächstgelegenen Rastplatz des Schnatgangs wurde ein Fest gefeiert.
Olle Use
Die Mitglieder einer Laischaft marschierten beim Schnatgang in Osnabrück mit Musik aus der Stadt. Sie hielten an einem Grenzstein oder einer anderen bedeutenden Stelle an der Grenze.
Auch die Jugend musste am Schnatgang teilnehmen, um den Grenzverlauf kennenzulernen. Die jungen Menschen mussten an einer Grenzmarkierung „Kikes dat is olle use“ (Schau, das ist alles unseres) aufsagen und kassierten dabei eine Ohrfeige.
Die Ohrfeige zählte damals noch zu den harmloseren Ritualen. Sie sollte den jungen Menschen den Grenzverlauf nachhaltig bewusst machen. Danach erhoben alle Beteiligten die Hände und riefen „Olle Use“.
Selbstverständlich wurde die Einführung der Jugend auch gebührend mit Bier und Kringel, einem gerollten Hefeteiggebäck, gefeiert.
Die Schnatgänge fanden im 19. Jahrhundert immer seltener statt. Viele Weidegründe der Laischaften wurden verkauft oder versteigert.
Gedenkstein und Tradition
Unmittelbar in der Nähe vom Rathaus in der Osnabrücker Altstadt, über einem Nebeneingang des Hotels Walhalla, befindet sich ein Gedenkstein. Er wurde 1934 angebracht und fordert die Gäste auf, dass sie sich, wenn sie aus dem Hotel kommen, nicht dort zum Pinkeln hinstellen, sondern sich einen anderen Ort suchen sollen.
Ein Schnatgang findet in Osnabrück heute traditionell alle sieben Jahre statt. Er hat keine rechtlichen Folgen. Der traditionelle Schnatgang beginnt in der Altstadt, führt durch das Heger Tor und dann weiter durch die Lotter Straße. Er endet an einem Gedenkstein in der Mauer der früheren Verkehrsbetriebe.
Der Gedenkstein soll an den früheren Grenzstein erinnern. Er zeigt eine stilisierte Hand und die Inschrift „Heger Laischaft“. Dort wird am Ende des Schnatgangs gefeiert. Durch die geschmückte Altstadt findet ein Umzug statt.
Im Stadtteil Wüste erinnern zwei Straßen noch heute an die Schnatgänge. Eine Straße heißt Laischaftsstraße, die andere Schnatgang.
In Bad Iburg wurde die Tradition des Schnatgangs 2002 wiederbelebt. Auf dem Karlsplatz des Dörenbergs erinnert ein Gedenkstein daran.